Wer hätte es gedacht?
Rückblick auf die Techno Classica Essen 2022: Ein besonderes Treffen für Melkus-Fans
TECHNO CLASSICA
Stephan Uske
7/1/20225 min read


Offen gesagt hätte ich nichts Wertvolles darauf verwettet, dass die Techno Classica in diesem Jahr tatsächlich stattfinden würde.
Zu hoch die Inzidenzen und Hospitalisierungszahlen im ganzen Land. Zu hart die Gegenmaßnahmen der Regierenden bei vorherigen, deutlich niedrigeren Zahlen.
Überraschend dann der Anruf des Messeveranstalters S.I.H.A., ca. drei Wochen vor dem Termin.
Die Messe sollte stattfinden! Und sie fand statt.
Erwartungsgemäß führte die wirklich sehr kurze Vorbereitungszeit zum Ausscheiden vieler professioneller und vor allem großer Aussteller. Die Großen Marken blieben lieber gleich zu Hause und unübersehbar waren immer wieder leere Messestände zu finden.
Viele, aus langen Jahren, bekannte und erfolgreiche Clubs waren dieses Jahr nicht mit dabei.
Trotzdem zog der Veranstalter eine insgesamt positive Bilanz der Techno Classica 2022:
Immerhin kamen rund 150.000 Besucher, um sich bei über 1000 Ausstellern umzusehen.
Verglichen mit der 31.TC 2019 - also im Vor-Corona-Zeitalter, ist das zwar deutlich weniger (190.000 Besucher und 1250 Aussteller), aber absolut beachtlich.
Von den früher deutlich über 200 Clubs waren „nur“ 150 angereist. Das ist jedenfalls viel mehr, als zu erwarten gewesen war. Die Corona-Angst, der kurzfristige Termin, das Fehlen wichtiger Aussteller und auch das wunderschöne Wetter waren einfach nicht auf der Seite der Techno Classica. Deshalb Hut ab und Daumen hoch.
Nachdem die IG Wartburg Trabant Barkas bereits für 2020 keinen Stand mehr angemeldet hatte, waren der EDWFC und die Rheinländer im September 2021 ebenfalls ausgestiegen.
Allerdings fehlten auch alle anderen Aussteller von DDR-Fahrzeugen.
Wirklich alle? Nein ein kleiner Haufen unbeirrbarer Optimisten hatte sich auch für 2022 um einen Stand beworben und ihn auch erhalten.
So präsentierte Michael Bluhm mit seinem Team nicht nur stolz den Melkus RS1000, sondern gleichzeitig den gesamten Automobilbau der DDR!
Vielen lieben Dank an Michael und sein Team.
Der Stand des Melkus RS1000-Registers war deutlich gewachsen und auf einen Teil der vormaligen Fläche des EDWFC gerückt.
Der Platz war ideal und reichte bequem aus, um gleich zwei der legendären Dresdener „Flundern“ zu präsentieren.
Der Melkus-Stand präsentierte sich gewohnt hell und aufgeräumt und mit einem freundlichen und vor allem kommunikativen Team.
Bei den meisten Clubs reichte die Vorbereitungszeit nicht für eine aufwändige Präsentation.
Der Unimog-Club präsentierte den kleinen Alleskönner gekonnt auf einem Eisenbahngleis und errang im Clubwettbewerb damit den ersten Platz. (Foto rechts unten)
Die Borgward-Freunde stellten einen Isabella-Kombi, einen Traktor und einen Lloyd in einem Bauernhof-Ambiente aus und errangen damit den zweiten Platz. (Foto siehe nächste Seite)
Dieser Traktor hatte es in sich. War er doch ein, bis dato, unbekannter Prototyp eines Borgward-Ackerarbeiters.
Den dritten Platz erkämpften sich die Freunde vom Kadett A und Olympia B-Club mit einer überraschend wenig an Krise und kurze Vorbereitungszeit erinnernde Hinterhof-Werkstatt. (Foto rechts oben)
Und auch Melkus ging nicht leer aus. Mit dem 9. Platz und einem Pokal wurde der Mut des Teams auch von der Clubjury belohnt.
Herzlichen Glückwunsch allen genannten und ungenannten Gewinnern.
Hatten in den vergangenen Jahren stets weit über einhundert Clubs an der Preisverteilung teilgenommen, waren es 2022 nur 50.
Auch hier zählte ganz offenbar der olympische Gedanke.
Getraut haben sich auch die Tatra Freunde. Sie stellten einen wunderschönen Tatra 87 aus. Der war zwar schon mehrfach auf der Messe zu Besuch, ist aber immer wieder ein echter Hingucker. (Foto rechts, ganz unten)
Ein Hingucker, aber eher nur für echte Kenner war die Präsentation, die auf der anderen Hälfte des ehemaligen EDWFC-Standes stand.
Ein offensichtlich eingefleischter Fan der 1975 ausgestrahlten ARD-Serie „PS“ hatte sich den damals legendären Montagswagen „Amalfi CS1800“ von „Atlantis“ nachgebaut. (Foto Mitte rechts)
Die Serie erzählte in 16 Teilen, die auf vier Staffeln verteilt wurden, die Geschichte des fiktiven Autohaus Neubert und seiner Kunden.
Unrühmliche Hauptrolle hatte besagter Amalfi.
Den hatte man wohlweislich aus vielen verschiedenen Fahrzeugen jener Tage zusammengebaut. Man fürchtet sich vor Klagen echter Hersteller.
Grundlage war ein Fiat 132. Durch verschiedene An– und Umbauten und den phantasievollen Namen wurde die wahre Identität des Fahrzeugs aber kunstvoll verschleiert.
Neben dem Fiat 132 spendeten auch noch ein VW Passat Typ 32, ein BMW 2002 (114), ein BMW 5er (E12) und ein Mercedes /8 Teile zum Amalfi.
Da das originale Filmrequisit bereits im Verlauf der Serie mehrere Veränderungen und Alterungen durchlitt, hatte es sein Aussehen bis 1979 völlig verändert. In den 1980er Jahren wurde das Fahrzeug über eine Fernsehzeitschrift an einen Privatkäufer vermittelt. Danach verliert sich seine Spur.
Ebenfalls ein echter Hingucker war der Stand der Munga Freunde. Die hatten eine ehemalige Schaufensterpuppe in einen Schlosseranzuggezwängt und, damit nicht genug, sie unter einen Munga zur Unterboden-Untersuchung verdonnert. Ganz steif und starr lag das Mädel auf ihrem Rollbrett. Noch nicht einmal die Stöckelschuhchen hatte sie vorher ausziehen dürfen…
Ein Hingucker der negativen Art, wobei Geschmäcker bekanntlich verschieden sind, war der Umbau eines Mercedes Pullman der 1930er Jahre.
Diese unsägliche Kiste verfügte über ein hochmodernes AMG-Aggregat, dessen Einbau in die Karosserie allein doch schon etwas Respekt abnötigt. Leider hatten es die Bastler nicht dabei belassen und dem armen Auto auch noch die trostlose Plaste-Innenausstattung der 1990er Jahre verpasst.
Wer übergroßes Mitleid mit der geschundenen Karre mit einem ebenso großen Portemonnaie verband, konnte sich den Wagen gern kaufen.
Ebenfalls zum Verkauf stand ein anderer Mercedes, der in den knapp 32 Jahren seiner Existenz nur einen einzigen Besitzer hatte.
Der Sonderschutz SEL 560 gehörte Erivan Karl Matthias Haub.
Falls jemandem dieser Name nichts mehr sagt: Haub war Miteigentümer von Tengelmann, Kaisers Kaffee und Obi. Er hatte nicht nur außerordentlich viele Vornamen, sondern auch eines der größten Vermögen Deutschlands, dass er allerdings bei seinem Tod 2018 hier zurücklassen musste. Genau wie seinen Benz, der über ein Siemens-Autotelefon, eine VHS-Videoanlage mit Fernseher und einer Gegensprechanlage mit Sirene verfügte.
Erivan fürchtete sich vor Verbrechern und hatte den Wagen mit einem Feuerlöscher und gepanzerten Reifen bestellt.
Sonderwunsch von Haub war auch die Verlängerung des Fahrzeugs um stolze 40 cm.
Dazu wurde der gepanzerte Wagen einmal komplett durchtrennt und ein neues Mittelstück eingebaut.
Ob das Auto verkauft wurde und, wenn ja, zu welchem Preis ist nicht bekannt.
Autotelefon, Videoanlage, 180km/h Höchstgeschwindigkeit und 17,5l/100 km sind 2022 keine Verkaufsargumente mehr. Die Historie vielleicht aber schon.
Das Engagement Haubs für den Umweltschutz könnte seine Hinterlassenschaft vielleicht auch heute wieder interessant für besonders solvente Käufer machen?
Mein persönliches Highlight war der Hanomag P2. Der als „Kommissbrot“ belächelte Klassiker war zwar nur ein Nachbau, aber immerhin auf Basis eines originalen Cabriolets.
Der P2 war das weltweit erste Auto mit der erst sehr viel später beliebten Pontonkarosserie.
Zeitgenossen spöttelten damals: „Zwei Kilo Blech, ´ne Dose Lack - fertig ist der Hanomag!“.
Soviel zur Messe selbst.
Bitte gestattet mir kurz noch ein paar ganz persönliche Anmerkungen zur TC 2022.
Nach weit über 20 Jahren intensiven Engagements war ich über den Ausstieg des EDWFC 2021 gleichzeitig sehr erleichtert und traurig.
Ganz klar erleichtert, weil in den vergangenen Jahren die Vorbereitungen und Durchführung der Messe eine unglaubliche Kraftanstrengung für mich bedeutet haben, während es für viele Andere nur ein unverbindlicher Zeitvertreib war, den man mit kurzfristigen Entscheidungen unterstützen konnte—oder eben auch nicht.
Ich hatte mich aber mit meiner Unterschrift auf der Anmeldung in einen Vertrag eingelassen, der mich persönlich gebunden hat.
Für mich war die TC immer ein Stück weit wie Klassenfahrt. Leider musste ich aber dabei immer die Rolle des „Lehrers“ und vollverantwortlichen Organisators übernehmen.
Vielen Dank an alle, die den Aufwand und auch den Stress erkannt haben und mit ebenso großer Ernsthaftigkeit das Thema jeweils unterstützten.
Traurig war ich aber, weil die TC die vorletzte echte Aktivität des EDWFC gewesen ist. Neben den, mal mehr und oftmals weniger stark besuchten Jahrestreffen, war die TC der jährliche Treffpunkt für Freunde und Weggefährten.
Das war einfach toll.
Vielleicht sollten wir in Zukunft noch einmal über eine Messebeteiligung des EDWFC nachdenken. Anstatt großer, vielleicht sogar preisverdächtiger, Stände sollten wir einen kleinen einfachen Stand bauen und mit 1-2 Fahrzeugen zeigen, dass DDR-Kfz sehenswert und erhaltenswert sind.
Vielen Dank noch einmal an Michael Bluhm, der die Kombüse zu sich genommen hat und sie somit erhält.
/ Stephan Uske
Gallery
Impressionen vom Stand des Melkus RS 1000 Registers
















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